Leseprobe

Die Weinsberger Schwabentreue – Bunkerbau und Panzersperren

„Bunkerbauten in Weinsberg“ – relativ wirkungslose Maßnahmen gegen eine nicht zu verhindernde Übermacht

Seit 1937 war Weinsberg mit dem Lager am Tiefen Weg (heute Stadtseestraße) ein Militärstandort geworden. Der Exerzierplatz auf der Waldheide und der Schießplatz im Brühltal ergänzten den Wehrmachtsstandort Weinsberg. Mit Fortschreiten des Krieges bedeutete diese Tatsache aber auch, dass man vermehrt ein potentielles Ziel der Alliierten hätte werden könnte. Zusätzlich wurde in den Karosseriewerken Weinsberg – mitten in der Stadt, zwischen Kerner- und Kanalstraße – kriegswichtiges Material produziert, auch Teile für Flugzeuge. Auch wenn ab dem 20. Mai 1940 das zwischenzeitlich zum Kriegsgefangenenlager umfunktionierte Gefangenenlager ein gewisser Schutz vor größeren Angriffen zu sein schien, wurde doch auch in Weinsberg die Gefahr doch immer größer, aus der Luft angegriffen zu werden. Und so galt es, die Bevölkerung hiervor zu schützen. Es war aber nicht nur dieser zivile Hintergrund, dass in Weinsberg diverse Bunkeranlagen errichtet wurden. Es sollten vielmehr auch die Arbeiter der Fabrikationsanlagen geschützt werden.

Lager damals heute

Das Weinsberger Lager im vorher-nachher-Bild. Die wenigsten Freibadbesucher werden heute noch wissen, dass die nordöstlichste Baracke praktisch direkt auf der grünen Wiese neben dem heutigen Eingangsbereich stand

Schützengräben in Feldern bzw. Gärten (Gewann Ohrberg) Richtung Heilbronn – Interview mit Liese Ullenbruch

Richtig außer Atem vor Aufregung kam in ihrem Interview Liese Ullenbruch, als sie mir erzählte, was sie beim Futterholen im Gewann Ohrberg erleben musste:
„Kommen wir runter, sind lauter Schützengräben in unserer Wiese“. Dann überschlug sich ihre Stimme fast, als sie erzählte: „Schützengräben haben die dort rein gemacht in unser Baumstück der Straße entlang.“

Wo das war, konnte sie noch genau beschreiben. So tiefgreifend waren die Erinnerungen an dieses Erlebnis:
„Am Sattel runter – oben haben Brenners gewohnt – die alt‘ Straße. Und unten, wo’s eben war, da ist ein großer Acker. Und vorne war’s Baumstückle. Hinten kommt dann von Erlenbach die Wiese. Und vorne, am Weg runter, haben die lauter Schützengräben rein gemacht.“

Panzersperre

Im Bataillonsgeschichtsbuch des 397. Infanteriebataillons lautet die Bildunterschrift dieses Fotos vielsagend „Deutsche Männer und Frauen bauen eine Straßensperre ab. Die Sperren waren uneffektiv, gaben aber hervorragendes Feuerholz“. Das Foto wurde mit Sicherheit in Württemberg gemacht.

„Panzersperren in Weinsberg“

Vermutlich ab Ostermontag, dem 2. April 1945, entstanden auch in Weinsberg Panzersperren. Es herrschte wohl auch an der Weibertreu angesichts der herannahenden, ja heraneilenden Front blanker Aktionismus. Um es deutlicher zu sagen: der Untergang, der alles und jeden aufzufressen würde, drohte allen, ob Zivilperson, Parteigenosse oder Soldat.

So entstanden Pseudohindernisse auch beim, ja sogar direkt im Friedhofdurchlass, außerhalb des Ortes bei der Gärtnerei Lauster, praktisch als Vorposten oder Verteidigungsstellung für den Weinsberger Volkssturm. Auch beim Gasthaus „Hirsch“, direkt vor der kleinen Hirschbrücke. Sowie im Gewann Flürlen und auch in der Kirschenallee.

Hierzu wurden hauptsächlich Bäume gefällt, die Baumstämme in Doppelreihen senkrecht in die Straße eingegraben, und der etwa einen Meter breite Zwischenraum wurde mit Erde und Steinen verfüllt.

Ob aber tatsächlich auch nur ein einziger Weinsberger Parteigenosse, ob der amtierende NSDAP-Ortsgruppenleiter Otto Mayer, der diesen Befehl mit Sicherheit umzusetzen hatte, oder sonst noch ein Weinsberger Bürger an die Wirksamkeit dieser Maßnahmen glaubte?

Dies bleibt auch 75 Jahre danach mehr als fraglich und darf mit gutem Recht bezweifelt werden.

Panzer gegen Holzstämme und Veteranen aus dem 1. Weltkrieg? Eine sinnlose Angelegenheit.

Volkssturm-Panzersperre zwischen Kreuzle und Gärtnerei Lauster/Hörcher

Der Vater Karl Klöppings, Gärtnermeister Gottlieb Klöpping, hatte damals mehr aus Druck, denn aus Überzeugung die Funktion eines Zugführers beim Weinsberger Volkssturm. Der Befehl für seine Volkssturmtruppe lautete, die Stellung bei der Gärtnerei Hörcher zu sichern, sowie die damals als Baumallee bepflanzte, oben bereits erwähnte Straße nach Heilbronn zu sichern.

Für die riesengroßen, alten Birnbäume, die diese Straße säumten, lautete der Volkssturmbefehl: umsägen. Danach sollten sie als Panzersperre eingesetzt werden und die aus Heilbronn heranrückenden Amerikaner aufhalten. Am Ende dieser Baumallee, also wo das abschüssige Terrain wieder eben wird, befanden sich von den Volkssturmmännern ausgehobene. Schützengräben. Nur ausgestattet mit Panzerfäusten der deutschen Wehrmacht war das ein ausgesprochenes Himmelfahrtskommando.

Kreuzle Granate

Das gegenüber den heutigen Rosenkulturen und neben der Fußgängerampel gelegene Anwesen Heilbronner Straße 110, Weinsbergs sogenanntes „Kreuzle“. In der Scheune rechts fand man übrigens noch im Jahr 2008 2 vermutlich scharfe Artilleriegranaten. Eine leere davon ist heute noch als Erinnerungsstück an den Weltkrieg einzementiert. Unweit dieser Häuser war die Stellung der Weinsberger Volkssturmeinheit.

Panzersperre am Gasthaus „Zum Hirsch“

Nachdem die Aussagen über die exakte Position dieser Panzersperre widersprüchlich waren – auch Alt-Weinsberger waren sich nicht mehr 100% sicher, wo diese genau stand, war der heutige Wirt des Gasthauses „Zum Hirsch“, Theo Liedloff, am 17.2.2020 eine gute Hilfe. Seine Mutter Alma Liedloff, die damals das Hirschle als Wirtin betrieb, hatte ihm als Kind oft davon erzählt.

Wir vermuten, dass diese Panzersperre (vom Hirschle kommend) vor der Brücke quer über die damals deutlich näher am Bach verlaufende Lindenstraße errichtet wurde.

Laut plausibler Aussage Theo Liedloffs schoben die US-Panzer einfach direkt westlich der Brücke den Weg für die nachfolgenden US-Truppen und –Fahrzeuge platt. Eine aufschiebende Wirkung, oder gar ein deutliches Hindernis für die Amerikaner, entfaltete auch diese Sperre sicherlich nicht.

In den 1970-Jahren kamen bei der Neuausrichtung und Begradigung der Lindenstraße die Fundamente des Brückles wieder ans Tageslicht.

In seinem Interview erzählte uns Walter Elsässer, dass eben diese Panzersperre, die durch den Weinsberger Volkssturm mit zahlreichen, senkrecht in die Straße eingebohrte Baumstämme erbaut wurde, noch vor Eintreffen der Amerikaner wieder entfernt wurde. In U-Form erstellt und mit Steinen und Schutt aufgefüllt, hätten die Amerikaner seiner Meinung nach schon etwas zu schaffen gehabt, hätte man die Panzersperre nicht vorher weggemacht.

Panzersperre direkt unter der Friedhofsunterführung

Unglaublich erschien uns die folgende Geschichte, die mir Klaus Heiland in seinem Interview erzählte. Als kleiner Junge war er Augenzeuge, da sein Elternhaus im Haus gegenüber in der Lindenstraße 25 war.

Vom „Speisen seines Schimpfwortschatzes“ erzählte er uns im Zusammenhang mit einer Panzersperre, vielleicht besser einem Panzergraben, genau unter der Bahnunterführung der Friedhofstraße. „Rechts und links wurden also die Mauer entlang senkrecht nach unten Grabungen gemacht, die in der Straße unterbrochen wurden von einem schmalen Weg direkt in der Mitte. So konnten nur noch Heuwägen und Rossgespanne drüberfahren.“

Seitdem wir diese Geschichte gehört haben, vergeht keine einzige Durchfahrt durch das „Durchlass“, ohne dass ich nicht an diese beiden Gräben denke.

Herr Heiland berichtete weiter:
„Direkt unter der Unterführung bekam der Weinsberger Volkssturm den Befehl, eine Panzersperre zu errichten. Rechts ein Graben, links ein Graben. Dazwischen ein schmaler Weg, auf dem Weinsbergs Bevölkerung weiterhin fahren und gehen konnte.

„Maßgeblich verantwortlich war der im 1. Stock des Stadtbaumeistershauses wohnende Herr Paul Brechenmacher. Er hatte das Oberkommando der Bautruppe.“

Sichtlich und hörbar amüsiert erzählte er weiter: „Das erste Fahrzeug, das dort rechts und links reingefahren ist, war ein Kübelwagen der Wehrmacht, dessen Offizier den Brechenmacher alles hieß, bloß keinen Herr‘n.“

Wir gehen davon aus, dass dieser Offizier fluchte und Weinsbergs Volkssturmchef aufs Wildeste beschimpfte – und dies unter Zeugen:
„Wir Kinder standen genau auf der gegenüberliegenden Seite des Durchlasses, also hinter unserem Gartentörchen an der Kernerstraße, dort wo heute die neuen Garagen stehen.“

Abschließend lächelte er nochmals und sagte „wir waren also Augen- und Ohrenzeugen, die im Nachgang einander >Sauseggel< usw. betitelten. Sehr zum Unmut der Mütter.

Wir schoben es ab dato auf den deutschen Offizier.“

Das Eisenbahndurchlass an der Friedhofstraße/Lindenstraße, unter dem eine der sinnlosen Panzersperre gebaut werden musste. Völlig abwegig erscheint heute der Gedanke, dass hier rechts und links ein Graben tatsächlich die Panzer der Amerikaner aufhalten könnte.

Eine weitere Panzersperre mit verminter Straße zum Krankenhaus Weißenhof

Das Heilbronner Krankenhaus wurde nach dem Angriff des 4.12.1944 bzw. vor dem Zusammenbrechen der Heilbronner Front in die ehemalige königliche Heilanstalt am Weißenhof verlegt. Auf der Straße dorthin, die damals deutlich „direkter“ verlief, hatte deutsches Militär gegen Ende des Krieges offensichtlich Bäume gefällt, diese als Panzersperren quer über die Straße gelegt und mit versteckten Sprengminen für die in Kürze erwarteten Amerikaner „unüberwindbar“ gemacht.

An den gefällten Bäumen waren als Panzersperren deutsche Sprengminen angebracht, die bei Feindberührung explodieren und die Amerikaner bestenfalls am weiteren Vormarsch hindern sollten. Tragische Ironie war, dass die ersten und vermutlich einzigen Opfer an diesen Sprengsperren deutsche Soldaten waren, die diese in ihrem Seitenwagen – mangels Vorsicht oder einfach aus Unwissenheit – auslösten.

Gesehen wurden die toten deutschen Soldaten von unserem Interviewpartner Hermann Geiger. Vermutlich war das deutsche „SS-Motorrad mit Seitenwagen“ auf dem Weg ins Krankenhaus.

Braun / Luftbild mit Straße nach Eberstadt

Die ehemalige Straßenführung von Weinsberg (vorbei an der nicht mehr vorhandenen Benzenmühle) zum Weißenhof.

„Die geplante Sprengung des Weinsberger Eisenbahntunnels“

Eine weitere, sprachlos machende Geschichte erzählte uns Gerhard Frisch, die seine Straße, den Steinbruchweg, betraf.

 Als sich der Kampf um Heilbronn offensichtlich dem Ende näherte und sich abzeichnete, dass sich die Deutschen in allernächster Zukunft absetzen würden, erschien ein deutscher Hauptman im Eichelens- und Steinbruchweg. Er forderte die unverzügliche Räumung dieser beiden Weinsberger Straßen, weil befehlsgemäß der Bahntunnel zu sprengen war und die Wucht dieser Detonation auch diese Straßen mit Sicherheit zerstört hätte.

„Ich höre noch heute, wie meine Eltern und auch Nachbarn von uns den Offizier bitten, diesen Unsinn zu unterlassen. Der Krieg sei doch eh verloren und keiner von uns gehe aus seinem Haus heraus. Gott sei Dank ließ er es dann sein.“

Bahntunnel Heilbronn/Weinsberg

Der Bahntunnel zwischen Weinsberg und Heilbronn: relativ unbekannt ist, dass dieser den zweiten Weltkrieg beinahe nicht überlebt hätte. Gutes Zureden von Weinsberger Bürgern war wohl der Hauptgrund dafür …

 

Während des 2. Weltkriegs war Wilhelm Murr Gauleiter von Württemberg-Hohenzollen und gleichzeitig Reichsverteidigungskommissar für diesen Gau. Er rief bis zuletzt zum Durchhalten auf. Ende März 1945 forderte er die Evakuierung der städtischen Bevölkerung und ordnete unter der Parole „Schwabentreue“ die – nur teilweise durchgeführte – Zerstörung aller militärischen, industriellen und Versorgungs-Einrichtungen an. Am 20.4.1945 floh Wilhelm Murr zusammen mit anderen Parteigrößen aus Stuttgart, hielt sich einige Wochen versteckt und nahm sich nach seiner Verhaftung durch französische Truppen zusammen mit seiner Frau das Leben.